Geschichte des Hauses

Haus Wiegelmann – die Geschichte

Das Haus Grüner Weg 41 wurde 1917 von Josef Wiegelmann (1871-1954) und Gertrud (geb. Beumer, 1876-1964) erbaut. Großvater war Finanzprokurist an der Westfalia Separator AG. Unsere Großmutter führte das Geschäft und die Gastwirtschaft, im Garten wurden neben Gemüse auch Wein und Tabak angepflanzt. Natürlich hatte man auch Schweine und Hühner.

Die sieben Kinder Josef, August, Elisabeth (Roland), Karl, Heinz, Gertrud (Jakobi) und Klara (Lilge) waren bereits alle im ersten Familienhaus Grüner Weg 37 geboren.

Nach Kriegsende beherbergte das Haus einschließlich der zugewiesenen Flüchtlinge und Vertriebenen 36 Menschen. Unser Vater Karl übernahm das Geschäftshaus, heiratete 1940 unsere Mutter Angelika Niehüser, sie bekamen drei Kinder Karl-Josef (1941- 44), Doris (Leeser, *1946) und Paul (*1948). Nach dem frühen Tod unserer Mutter Angelika heiratete unser Vater 1956 Luise Fasse aus Lügde.

Das Haus beinhaltete eine „Gastwirtschaft“, ein „Kolonialwarengeschäft“, in den Nebenräumen eine Viehwaage und vor dem Wirtschaftsfenster eine große Lastwaage. In der Wirtschaft mit dem sich anschließenden Wohnzimmer wurde – oft zu später Stunde – ständig musiziert, innerhalb der Familie und mit Freunden und Gästen. Der Stutzflügel begleitete Gesang, Geige und Trompete. Durch Vereine (Musikverein, Boxverein) und Freunde kamen auch berühmte Gäste (Helmut Rahn, Max Schmeling, Willy Fritsch) ins Haus. Nach dem Krieg feierten die englischen Soldaten in der Wirtschaft die Heilige Messe. Über den Grünen Weg fuhren die Panzer zur Bahnverladung. Die Lastwaage wog Kohle der Fa. Heile, Schrott der Fa. Warnecke, Pferde der Fa. Laukemper, Elefanten vom Zirkus Hagenbeck.

1954 wurde in der Wirtschaft das erste Fernsehgerät einer Oelder Gaststätte aufgestellt. Legendär waren die Fußballspielübertragungen einschließlich der Weltmeisterschaft 1954. Die Wirtschaft war überfüllt, die Jungen saßen auf den Fensterbänken. Die Luft war zum Zerschneiden vom blauen Dunst der Zigarren und Zigaretten.

In den 50er und 60er Jahren gehörte auch das jährliche Großereignis „Pfingstenkranz am Güterbahnhof“. Der Tanzkreis ging über den ganzen Vorplatz um das mittlere Gebäude der Fa. Stoll herum. Am Mikrophon spielte Heinz Frickenstein auf dem Akkordeon und spätnachmitags die Feuerwehrkapelle. Der Tag endete gegen 23.00 h mit einem großen Lampionumzug. Wir Kinder durften an diesem Tag bis Mitternacht aufbleiben.

Durch den wirtschaftlichen Aufschwung nahmen die Fernsehgeräte Einzug in die Wohnzimmer und es wurde in allen Gaststätten ruhiger. Man blieb zu Hause. Dafür lief unser Lebensmittelgeschäft besser.

1976 wurden die Wirtschaft und das Lebensmittelgeschäft aus Altersgründen aufgegeben und weitervermietet, zunächst als griechische Gaststätte, dann als Herberge für 40 polnische und russische Spätaussiedler und Asylsuchende, zuletzt als Heizungsbau- und Sanitärgeschäft. Nachdem die weitere Vermietung schwierig wurde, übernahm ich 2007 das Haus, sanierte es, nutze die umgebauten Ladenräume privat und habe die ehemaligen Wirtschafträume als Gesellschaftsräume und „Salon“ hergerichtet mit dem Traum, dass die Gesellschaft mit privaten Feiern, mit Literatur und Musik im Sinne „Berliner Salonkultur“ zur Förderung der Oelder Kulturszene Einkehr halten möge.

Dies ist kein Gewerbe, sondern mein kleiner „ehrenamtlich“ -gesellschaftlicher Beitrag, und ich glaube, dass meine verstorbenen Großeltern als Erbauer dieses Hauses  mit der ganzen Wiegelmann-Familie sich freuen würden, wenn die Räume mit Kunst und Kultur neu belebt werden.

In diesem Sinne wünsche ich den Räumen Hauskonzerte, Vorträge und Gespräche……

„Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten!“

Paul Wiegelmann im November 2007


Bericht am 30.12.2023  aus Anlass des bevorstehenden 100. Konzertes  (letzte Übernahme eines Original-Glockeartikels, siehe Presse)